Die Ultras überschätzen sich – eine ketzerische Behauptung?
Die sogenannten «Hardcore Fans» (nachfolgend Ultras genannt) sind eine Besonderheit der europäischen (und der helvetischen) Sportkultur. Diese Gruppen, im Hockey selten mehr als einige Hundert Personen, verstehen sich als emotionales Zentrum ihres Vereins. Sie dirigieren die Sprechchöre, stellen Capos mit Megafon ins Zentrum und inszenieren sich als unverzichtbares Kraftzentrum der Stimmung im Stadion. Zugleich führen leider zahlreiche Spuren sicherheitsrelevanter Vorfälle – mit teils erheblichen finanziellen Folgen für die Klubs – immer wieder zu denselben Gruppierungen zurück.
In Nordamerika (NHL) gibt es diese Fankultur so nicht. Die NHL kennt keine Stehplatz-Choreografien (und praktisch keine Stehplätze); strikte Gesetzgebung und rigorose Justiz lassen kaum Spielraum für Eskalationen. Die Stimmung entsteht dort nicht durch Ultras, sondern durch Regieanweisungen des Videowürfels. Vielleicht wirkt die Regular Season tatsächlich weniger ekstatisch als bei uns – aber in den Playoffs geht die Atmosphäre auch ohne Stehplatz-Ultras unter die Haut.
Die Ultras sind die Kunden unserer Klubs. Aber ökonomisch verlieren diese Gruppierungen stetig an Gewicht und in absehbarer Zeit könnten sie ein Anachronismus werden. Die Haupteinnahmen stammen heute mehr aus den Sitzplätzen, VIP-Logen und Hospitality-Angeboten. Berücksichtigt man zugleich die sicherheitsbedingten Kosten, die weitgehend von kleinen Stehplatzgruppen verursacht werden, erscheint die Frage, ob sich die Ultras überschätzen, nicht länger ketzerisch.
Der Donnerstagabend mit der Partie Ambri gegen Servette in der Gottardo Arena lieferte Anschauungsunterricht. Die Gruppierung Gioventù Biancoblu (GBB) versteht sich traditionell als Taktgeberin im Stehplatzsektor. Nicht immer im Einklang mit den Regeln. Die jüngste Stellungnahme des Klubs zu den Vorfällen vom 1. November liest sich entsprechend klar: Man akzeptiert die von der Liga verhängte Busse, hat Strafanzeige gegen unbekannt eingereicht und betont unmissverständlich, dass Sicherheit über allem steht. Leidenschaft ja – aber nur innerhalb der geltenden Vorschriften.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
-
Er ist
-
Er kann
-
Erwarte
Die Reaktion der Ultras folgt umgehend nach dem altbekannten Muster: Solidarisierung mit den Tatverdächtigen und demonstrativer Protest. In Ambri am Donnerstagabend: Schweigen. Keine Sprechchöre, keine orchestrierten Lieder. Eine Tribünenruhe als trotziges Statement.
Die Folgen? Bemerkenswert undramatisch. Die Stimmung bleibt hervorragend. Andere Stehplatzfans und die Zuschauerinnen und Zuschauer auf den Sitzplätzen übernehmen das Feld. Nach einem grandiosen 5:2-Sieg gegen die Genfer erklingt die Siegeshymne «La Montanara» wunderbar, kraftvoll wie eh und je. Ewiges Ambri.
Das legt die ketzerischen Schlussfolgerungen nahe: Braucht es die Ultras wirklich für die Stimmungserzeugung? Braucht es sie überhaupt? Offenbar nicht zwingend. Es geht bestens auch ohne. Die Klubs sollten sich ermutigt fühlen, Regelverstösse konsequent zu sanktionieren. Gelassen, bestimmt und beharrlich, ohne sich von Protestaktionen beeindrucken zu lassen. Hausverbote stehen als wirksames, sofort verfügbares juristisches Mittel bereit. Stadionverbote wären oft gar nicht nötig.
Tatsächlich liegt das Problem für Missstände in den Stadien (im Eishockey sind sie im Vergleich zum Fussball gering) weniger in gesellschaftlichen Entwicklungen oder nebulösen äusseren Einflüssen, wie oft und gerne behauptet wird. Vielmehr ist das Problem die übergrosse Rücksicht auf kleine, lautstarke Gruppen und die Scheu, Fehlverhalten zügig und konsequent zu ahnden.
Das Spiel Ambri gegen Servette hat eindrucksvoll gezeigt: Die Stimmung eines Hockeyabends hängt nicht am Tropf einer militanten Minderheit. Die Mannschaft spielte grossartig, das Publikum trug sie. Das Schweigen der Ultras verwandelte sich, vielleicht ungewollt, in ein Zeichen der vielen Anständigen gegen die wenigen Unanständigen. Oder in der Sportsprache: Das Schweigen der Ultras war ein Eigentor.
«Schutz der Fans und Respekt der Regeln: Stellungnahme des Clubs zu den Vorfällen vom 1. November 2025
In Bezug auf das Abbrennen von Fackeln innerhalb der Gottardo Arena am 1. November 2025, durch bislang nicht identifizierte Fans, informiert der Club die Medien und die Öffentlichkeit darüber, dass er den Entscheid der National League zur Kenntnis genommen hat, welche eine Geldstrafe gegen uns ausgesprochen hat.
In Bezug auf das Abbrennen von Fackeln innerhalb der Gottardo Arena am 1. November 2025, durch bislang nicht identifizierte Fans, informiert der Club die Medien und die Öffentlichkeit darüber, dass er den Entscheid der National League zur Kenntnis genommen hat, welche eine Geldstrafe gegen uns ausgesprochen hat.
Die Sicherheit unseres Publikums ist und bleibt eine absolute Priorität. Wir verstehen die Leidenschaft, die unsere Fans antreibt: Sie ist ein wesentlicher Bestandteil der Identität des Clubs und macht die Atmosphäre im Stadion einzigartig. Gerade deshalb müssen wir jedoch daran erinnern, dass jedes Verhalten im Einklang mit den geltenden Vorschriften und Sicherheitsbestimmungen stehen muss.
Der Einsatz von Fackeln, pyrotechnischen Gegenständen oder anderen nicht autorisierten Mitteln gefährdet die eigene Sicherheit und diejenige anderer Personen und ist nicht mit den Werten vereinbar, die der Club fördern möchte. Wir fordern daher alle Besucherinnen und Besucher unserer Spiele mit Nachdruck, aber auch mit Respekt auf, keine Verhaltensweisen an den Tag zu legen, die andere Fans gefährden oder den Ablauf der Spiele beeinträchtigen könnten.
Der Club möchte die Gelegenheit nutzen, der grossen Mehrheit unserer Anhänger zu danken, die ihre Leidenschaft korrekt, respektvoll und verantwortungsbewusst lebt. Ihnen ist es zu verdanken, dass unser Stadion als ein Ort starker Identität, Zugehörigkeit und Gemeinschaft anerkannt ist.
Wir werden weiterhin in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden und unseren Partnern daran arbeiten, ein sicheres, einladendes und familienfreundliches Umfeld zu gewährleisten, in dem Leidenschaft mit Intensität, aber stets im respektvollen Umgang mit Regeln und Menschen zum Ausdruck kommen kann.»
Der Ruf nach politischem Eingreifen wird seit Jahren wie ein Mantra wiederholt. Die Klubs delegieren die Verantwortung für die Gewaltprobleme rund um den Spielbetrieb gerne an die Politik und überwälzen einen erheblichen Teil der Kosten auf die Steuerkassen. Dabei wäre es an der Zeit, die Verantwortung stärker bei den Klubs selbst zu verankern und die Klubs in die Pflicht zu nehmen. Notfalls mit noch klareren finanziellen Konsequenzen. Der gesetzliche Rahmen dazu besteht. Denn am Ende zählt, dass Stadien Orte bleiben, an denen Leidenschaft gedeihen kann, ohne die Sicherheit von Männern, Frauen und Kindern zu gefährden.
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